Dr. med dent Rainer Uhl ist Zahnarzt und Oralchirurg in Vogtsburg-Oberrotweil (Kaiserstuhl). In seiner Praxis, die seit über 30 Jahren besteht, setzen er und sein Team ein sehr anspruchsvolles Qualitätsmanagement-Konzept um. Vor knapp sieben Jahren hat er die Dokumentation des Hygienemanagement-Prozesses digitalisiert. Im Interview berichtet er von seinen Beweggründen und Erfahrungen.
Herr Dr. Uhl, wie haben Sie das Qualitäts- und Hygienemanagement und andere Prozesse früher organisiert?
Wir hatten eine klassische manuelle Papierdokumentation. Die behördlichen Anforderungen sind ja seit unserer Umstellung noch einmal deutlich gestiegen, aber schon damals wurden bergeweise Papier und Ausdruckstreifen bewältigt, und jeden Abend zusammengefasst. Das war ein endloses Geschäft, die Streifen aus den unterschiedlichen Kleindruckern auf Din A4 Bögen zu kleben, um sie abzeichnen und archivieren zu können.
Warum haben Sie sich für eine Dokumentationssoftware entschieden?
Angesichts der steigenden Anforderungen wollte ich einen Prozess, der mir einen besseren Überblick und Zugriff ermöglicht, und alle Protokolle der verschiedenen Geräte auf einem Rechner vereint.
Welche Bereiche des Hygiene- und Qualitätsmanagements haben Sie digitalisiert?
In der Instrumentenaufbereitung habe ich alle Geräte angeschlossen, das heißt das Reinigungs- und Desinfektionsgerät (RDG), also der Thermodesinfektor, zwei Autoklaven und das Siegelgerät. Die digitale Sterilgut-Dokumentation ist derzeit noch eine Stand-Alone Lösung. Noch besitzen wir keine Barcode-Lösung mit Scanner und arbeiten derzeit mit Doppelaufklebern mit Chargennummer und Mitarbeiternummer, die in die Patientenkarte eingeklebt werden. Im kommenden Jahr wird das geändert.
Meine Praxis wird zum Jahreswechsel voll EDV unterstützt werden – wenn auch nicht ganz karteikartenlos – und dann wird auch die Materialwirtschaft mit eingebunden. Wir sind schon dabei, nach einer Lösung für Barcodes und Scanner zu suchen. Das gestaltet sich in meinem Fall aber besonders kompliziert, da ich als Chirurg viel mit Produkten aus der Humanmedizin und von unterschiedlichen Herstellern arbeite. Dadurch gibt es kein einheitliches Code-System auf den Produkten, und eine komplette Materialverwaltung mit den gängigen Barcode-Systemen im Dentalbereich ist entsprechend schwierig.
Wie groß war der Aufwand für die Umstellung?
Die Umstellung war letztendlich weniger kompliziert als gedacht. Es gab zunächst Hardware-Probleme beim Anschluss der Geräte, was wohl grundsätzlich ab dem vierten Gerät etwas schwierig wird, und ich habe in meiner Praxis zwei Autoklaven, ein Siegelgerät und einen Thermodesinfekor. Gemeinsam mit unserem Berater, Otto Wiechert, wurde das Problem gelöst indem wir einen neuen Rechner mit ausreichend physikalischen, also seriellen Schnittstellen, einsetzt haben.
Wie wirkt sich die Umstellung im Praxisalltag aus?
Die Digitalisierung der Hygiene-Prozesse gibt mir und meinen Mitarbeiterinnen viel Sicherheit. Ich habe in den letzten Jahren viele Wechsel in meinem Team gehabt. Umso wichtiger ist deshalb, dass alle Schritte eingehalten werden und ich diese jederzeit im Blick habe. Es gibt einfach mehr Klarheit: Das System sagt, was zu tun ist. Diese Prozesse vereinfachen die Arbeit, vor allem aber minimiert sich so die Fehlerquote und der zeitliche Aufwand für die Dokumentation sinkt.
Welche Rückmeldungen bekommen Sie aus Ihrem Team?
Sehr positive Rückmeldungen. Meine langjährigen Mitarbeiterinnen wissen es zu schätzen, dass sie im Hygienemanagement nicht jeden Schritt neu überdenken müssen und zugleich weniger Fehler machen, weil die Abläufe vorgegeben sind.
Neue Mitarbeiter sind allerdings häufig erstaunt, welchen Aufwand wir zum Beispiel bei der Aufbereitung und Dokumentation treiben, und wie detailliert die Vorgaben eingehalten werden müssen. Der Aufwand für Hygiene wird häufig nicht ernst genommen, deshalb braucht es ein sehr klares und eindeutiges System. Und das gibt mir die Software. Die größte Erleichterung war aber die Umstellung auf ein Tray-System, so dass wir nicht mehr jedes Instrument einzeln aufbereiten, sondern beispielsweise ein Set mit 14 Instrumenten für die Chirurgie, oder ein Set für Füllungen mit sieben Handinstrumenten und einem bespülbaren Bohrständer.
Wie läuft die Aufbereitung der Instrumente bei Ihnen ab?
Wir machen immer eine Vorreinigung durch Ultraschall, dann erst kommt die maschinelle Aufbereitung im Thermodesinfektor. Anschließend folgen Kontrolle, Funktionstest, Pflege und das Verpacken für die Sterilisation im Autoklaven. Wir arbeiten mit Gerätesets in Trays, was die Arbeit für alle Beteiligten deutlich vereinfacht - und wir haben nur verpackte Instrumente. Eine maschinelle Aufbereitung ist bei uns der Standard. Ich sag immer „was nicht ins RDG passt, gibt es bei uns nicht!“– mit vier, fünf Ausnahmen vielleicht.
Dieses Vorgehen ist in den meisten Praxen noch nicht vorhanden. Der hohe Aufwand ist nur teils durch die vielen chirurgische Eingriffe bedingt. Ich folge damit den aktuellen RKI-Richtlinien, die eindeutig und für jede Praxis sagen, dass vorzugsweise maschinell aufbereitet werden soll. Außerdem bin ich durch meine Zeit als Oralchirurg in der Klinik natürlich anders geprägt als ein Zahnarzt, der nur in Praxen gearbeitet hat. Die Kliniken sind im Prozessmanagement einfach fortschrittlicher.
Was ist für Sie heute der wichtigste Vorteil des digitalen Hygiene- und Qualitätsmanagements?
Die Hygiene in meiner Praxis wird besser! Ich schätze dabei besonders die klare Führung der Mitarbeiter. Es gibt klare Vorgaben, die „künstlerischen Freiheiten“ der Mitarbeiter bei der Aufbereitung entfallen, der Prozessablauf wird besser und konsequenter umgesetzt,
Wie hoch würden Sie die Zeitersparnisse durch die digitale Unterstützung des Sterilgutmanagements einschätzen?
So kann ich das gar nicht sagen, da in der Zwischenzeit die Anforderungen deutlich gestiegen sind. Es kommt immer mehr Vorgänge, die gemacht und dokumentiert werden müssen. Die Digitalisierung ermöglicht uns aber, diese stetig steigende Dokumentationstiefe überhaupt zu bewältigen. In den neunziger Jahren hatte das RDG noch keine Schnittstelle. Die Geräte hatten eine grüne Lampe, es gab eigene Ausdrucke und dazu eine Kladde - fertig. Heute gibt es so viele Prüfindikatoren und Prozessprotokolle, das kann auf die alte Art gar nicht rechtskonform bewältigt werden. Ich bin überzeugt, dass man eine Software benötigt, wenn man die Vorgaben zur Hygiene ernst nimmt. Es gibt immer Dinge, die man noch verbessern könnte: Zum Beispiel wäre es hilfreich, wenn die Protokolle gleich automatisch starten, wenn das Programm des jeweiligen Gerätes startet. Aber grundsätzlich bin ich mit dieser Lösung sehr zufrieden und werde die Software-Unterstützung nun ausbauen.